Montag, 23. September 2013

bogazn, schorazn, fungazn

iterativ-intensiv


Es gibt in unserem Dialekt einige wunderschöne Verben auf -azn. Es sind dies Intensiv- bzw. Iterativ-Intensivbildungen, die aus gewöhnlichen Verben entstanden sind, wobei die ursprünglichen Wörter oft längst verschwunden sind. Schluchzen, zum Beispiel, ist eine  Iterativ-Intensivbildung zu mittelhochdeutsch slūchen "schlingen" (davon leitet sich das Wort schlucken ab) - schluchzen bedeutet also soviel wie: immer wieder heftig schlucken.

Zur Aussprache sei noch vorausgeschickt, dass alle Wörter auf der ersten Silbe betont werden.

juchazn ist das bekannteste dieser Verben: schon im Mittelhochdeutschen ist das Wort jūchezen bezeugt, was natürlich nichts anderes als "laut juchhe rufen" bedeutet. Im modernen Standarddeutsch wurde daraus jauchzen.

schorazn beschreibt ein unangenehmes knirschend-kratzendes Geräusch. Wer schon einmal eine Kinderrodel mit den metallbeschlagenen Kufen über den, an manchen Stellen bereits schneefreien Gehsteig gezogen hat, weiß, wie das kling. Auch das Knirschen mit den Zähnen nennt man so.


bogazn - zittern, pulsieren: dieses Wort beschreibt das, was z.B. der Ringmuskel der Kloake eines Huhnes nach dem Eierlegen tut.

dogazn bedeutet zwar ebenfalls pulsieren, bezieht sich aber ausschließlich auf die Empfindung eines "pochenden Schmerzes"

gogazn - gackern ist eindeutig onomatopoetisch. de Hea gogazn undda Haudidl graad.

gigazn - kichern, und zwar nicht das leise in-sich-hinein-Kichern, sondern das laute schnatternde Kichern, wie wir es von in Gruppen auftretenden pubertierenden Mädchen kennen.

schdigazn - stottern. jez schdigaz ned umadum, sundan sog, wosd wüsd!

fungazn und himmlazn sagt man im Mostviertel, also draußen am Land, für blitzen und wetterleuchten. (diese Wörter sind in der Stadt nicht sehr gebräuchlich)

pfigazn - pfeifen. Ebenso wie die vorigen, wird auch dieses Wort praktisch nur am Land verwendet.


Im "Original Mostviertler Mundartbuch" von Hubert Bruckner gibt es eine Zusammenstellung von 34 Wörtern auf -azn, von denen die meisten selbst dem Autor dieses Blogs unbekannt sind!


Freitag, 13. September 2013

Pflanzen

wüsd mi bflanzn?

Der Pflanz ist die Verarsche in Ost-Österreich. Heute geht es aber tatsächlich um Pflanzen: Dass Kartoffeln bei uns Erdäpfel und Aprikosen Marillen heißen, ist ja hinlänglich bekannt. Daneben gibt es aber noch etliche weitere wunderschöne Pflanzennamen:

Griichal
Griichal - das Kriecherl (Prunus domestica subsp. insititia). Andere Namen sind: Kriechen-Pflaume oder Haferpflaume. Es handelt sich dabei um eine Unterart der Pflaume. Bei uns wächst - und das ist das Besondere - vor allem die gelbe Sorte, aus der Griichalschnobbs gebrannt wird (in der Weststeiermark macht man den Kriecherl-Schnaps aus der blauen Variante) Die Webseite kriecherl.at schreibt:
Nach neuesten Erkenntnissen muss die Kriecherl-Verwandtschaft vor ungefahr 6000 Jahren im südmährisch- weinviertlerischen Raum spontan entstanden sein. Von der damaligen Bevölkerung erkannt und geschont, später bewusst durch Aussaat, Veredelung oder durch Wurzelbrut vermehrt, gibt es dieses Uraltobst heute noch immer. Somit gehören die Kriecherl zu den ältesten Kulturpflanzen mitteleuropäischen Ursprungs.
Diandl

Diandl - die Kornelkirsche (die auf der Diandlschdaun - dem Dirndlstrauch wächst) ist hier ebenfalls wegen des Edelbrandes bekannt, der daraus gemacht wird, der Diandlschnobbs. Daneben werden die Früchte auch zu allerlei nichtalkoholischen Leckereien verarbeitet, z.B. zu Marmelade, Sirup, Kompott, Pralinen und vieles mehr. Fremdenverkehrsexperten haben im nahen Pielachtal, das westlich von St.Pölten liegt, das Dirndltal erkannt.



Odlazbean
Odlazbean - die Adlitzbeere oder Elsbeere ist der dritte Schnapslieferant im Bunde. Ihr Verbreitungsgebiet schließt Östlich ans Traisental an und wird von den Vermarktungsstrategen Elsbeerreich genannt. Das besondere an unseren Elsbeeren ist, dass sie als freistehende Bäume auf sonnigen Hängen wachsen (in ganz Deutschland sind nur etwa ein Dutzend solcher Solitärbäume bekannt). Der Odlazbeaschnobbs ist einer der teuersten Edelbrände im ganzen Land.

Aschbal ['aʃbɐɫ] - das Asperl oder die Mispel ist als Obst heute fast vergessen, obwohl sie früher sehr verbreitet war. Man findet sie bei uns auch nicht mehr kultiviert, nur mehr an verwilderten Bäumen kann man die eigenartig geformten Früchte sehen, die aufgrund dieses Aussehens zum Beispiel im Saarland Hundsärsch heißen. 

Goidraneda, Grofnschdana, Maschanzga, Kloaobbfe - Goldrenette, Gravensteiner, Maschanzker und Klarapfel sind alte Apfelsorten, die man im Supermarkt vergeblich suchen wird - es gibt allerdings wieder einen Trend zu alten Obstsorten, auf manchen Wochenmärkten sind sie wieder zu finden.
 
Bfludan sind Pflaumen. Manchmal gebraucht in der stabgereimten Verabschiedung: bfiaddi, bfundige Bfludan!

Bfeascha - Pfirsich. persica arbor nannten die Römer den Baum, der aus seinem Ursprungsgebiet Ostasien über den Vorderen Orient nach Europa kam. Die 2. Lautverschiebung tat das Übrige.

Ananas sind überraschenderweise nicht Ananas, sondern Erdbeeren, und zwar die großen gezüchteten Früchte, wie man sie im Erdbeerland broggn (pflücken) kann - im Gegensatz zu den "richtigen" Wald-Erdbeeren, die um ein Vielfaches besser schmecken, wahrscheinlich weil es immer nur ganz wenige sind, die man findet. ("richtige" Ananas heißen zur Unterscheidung Hawaii-Ananas)

Ogrosln (Stachelbeeren) gehören mit den Riwisln (Ribiseln=Johannisbeeren) zur selben Pflanzengattung ribes. Während die Ribiseln daher ihren Namen haben, leitet sich jener der Ogrosln über das mittelhochdeutsche agraz (saure Brühe) und das romanische agresta von lateinisch acer, sauer her.

Ziguri - die Zichorie, heute unter dem nobleren Namen Radicchio bekannt und als Salat in Verwendung, wurde in früheren Zeiten als Ersatzkaffee angebaut, damals wurde allerdings die Wurzelknolle verarbeitet, welche in Form und Größe so mancher Nase ähnelte; daher bezeichnet dieser Begriff sowohl den Gesichtserker, als auch einen ziemlich ungenießbaren Kaffee. (Von manchen wird - warum auch immer - der ganze Kopf als Ziguri bezeichnet)

Gugaruz - Kukuruz heißt der Mais in Ost-Österreich, in Teilen Bayerns, sowie in vielen slawischen Ländern und in Ungarn. Die Herkunft ist strittig, man vermutet, dass es sich um ein türkisch-slawisches Wanderwort handelt, das den Weg nachzeichnet, den diese Pflanze genommen hat, bevor sie zu uns kam. So steht es zumindest im Wörterbuch der donauschwäbischen Landwirtschaft. In Teilen der Steiermark sagt man übrigens Woaz zum Mais - wo doch Woaz in Niederösterreich Weizen heißt.

Bluza - Kürbis. Ebenfalls bezeichnet dieses Wort einen gleich geformten Glas- oder Tonbehälter, sowie das gleich geformte Haupt der Niederösterreicher →  Mosdbluza ist der - wenn auch unschmeichelhafte - Name der Bewohner des Mostviertels. i hob ma in Bluza aughaud heißt ich hab mir den Kopf angeschlagen.


Düngreidl nicht dünn, sondern Dille heißt dieses Kraut (Dillen-Kräutel). Daraus macht man die Düngreidlsoss - eine herrliche Beilage zu gekochtem Rindfleisch.

Soifa heißt der Salbei - Das ländliche Mostviertel hat viele Namen für alle möglichen Kräuter und Pflanzen, mit denen die Bewohner täglich zu tun haben - in die Stadt haben es allerdings nur wenige geschafft. Auch die Mostviertler Benennung des Salbeis ist hier nicht allgemein gebräuchlich.

Bauln [bɑ̃:ɫn] - Bohnen. Man beachte die Aussprache: nasales, monophtonges au und Meidlinger L

Schanddinuss heißt die Erdnuss. Die tlalcacáhuatl wie sie in Mittelamerika hieß, wurde später auch in Westafrika angebaut, im Gebiet der Aschanti. Vom Namen dieser Ethnie leitet sich unsere Bezeichnung für die Erdnuss ab.

Bforakabbal
Bforakabbal ['kab:ɐɫ] Pfarrer-Kapperl. der Gewöhnliche Spindelstrauch - Euonymus europaea besitzt Früchte, die wie ein Biret - eine Kopfbedeckung römisch-katholischer Priester - aussehen. In Deutschland heißt die Pflanze folgerichtig Pfaffenhütchen.

Gnofe ist der Knoblauch, Hundsgnofe hingegen heißt der Bärlauch.

Kööch - in Österreich einfach Kohl genannt, sagt man in D Wirsing dazu.

Rauna - Rote Rüben: da Raunasolod


Jagabrod
Jagabrod (Jägerbrot) heißt die Silberdistel, weil man die Korbböden wie Artischocken essen kann.

Hedschal oder Hedschibedschi sind die Hagebutten. Als Volksschüler verwendeten wir den Inhalt der reifen Samenkapseln gern als Juckpulver für die lieben Mitschüler.

Büssn sind nicht irgendwelche Pilze, sondern nur die Steinpilze. Sie heißen auch Herrenpilze. Pilze im Allgemeinen nennt man ja Schwammal. Als Schwammerl wird übrigens auch ein Mensch bezeichnet, der sich nicht zur Wehr setzen kann, ein Draumined also. 


Diese Pflanzen wachsen nur im Sprichwort:


Grausbirn - do schdeign an de Grausbirn auf sagt man, wenn man das Ungemach heraufziehen sieht: waun i aun de Brüfung muang deng, schdeing ma de Grausbian auf. - was das für Früchte sind, erklärt die geschätzte Frau Andrea in ihrem Blog.

Gaugaubam  - fährt jemand weit fort, kann man ihn fragen, was er denn dort im Urlaub machen werde: Gaugaubam hudschn und Offn schneizzn?

Waadschnbam - früher sagte die Mutter zu ihren Kindern manchmal: du beidlsd heidd wida aum Waadschnbam.

Mittwoch, 28. August 2013

Substantiv h.c.

Wenn der Dialekt Hauptwörter honoris causa ernennt.

einige merkwürdige Substantive in unserem Dialekt wurden anscheinend zwanglos aus anderen Wortarten oder Wortgruppen gebildet - jedenfalls ohne dass es eine Entsprechung im Standarddeutsch gibt.

da Schiach - vom Adjektiv schiach
do ged an da Schiach au - wörtlich heißt das: da geht bei einem der Schiach los. Der Schiach ist die substantivierte Form von schiach - hässlich, unschön, grausig. Das ist sozusagen die Personifizierung der Verfassung, in die man kommt, wenn eine angstmachende Situation eintritt. 

da Reis - vom Verb reissn
mia ged da Reis! - mir schlottern die Knie! oder ich habe einen Bammel! wie man in D sagen würde. Das Wort kommt von reissn - zittern. es reissd eam - er zittert. Das ist durchaus auch wörtlich zu nehmen. Wenn man als Hobby-Schifahrer die Streif hinunter fahren soll, darf man durchaus sagen: mia ged da Reis.

da Keadsi - vom reflexiven Verb keandes kead si
is des a Keadsi? [ˈkeɐtsɪ]  -  (ist das ein Gehört-sich?) benimmt man sich so? dieses Substantiv wird hauptsächlich dann gebraucht, wenn das Benehmen in Frage gestellt werden soll. 

da Waun - von der Konjunktion waun
waun da Waun ned waa, wa da Kuadreg a Budda - wenn das Wörtchen wenn nicht wäre, wäre Kuhdreck Butter sagt ein Sprichwort. Zur Erklärung: Viele verarmte Arbeiter konnten sich früher Butter nicht leisten, sie mussten billigere Fette, wie Margarine, aufs Brot streichen. Wenn es nur um die Streichfähigkeit ginge, könnte man ja auch ein anderes billig zu habendes Rinder-Produkt verwenden, dachte sich wohl der Erfinder des Spruches, wenn nur der Geschmack... waun da Waun ned waa! sagt man einem Menschen, der darüber lamentiert, dass er dies und jenes ja erreicht hätte, wenn nur ... 

a Haha - von der Interjektion haha 
ein lächerlicher Mensch. Kommt zum Beispiel in folgendem Gstanzl: vor:
jezd hod ana gsunga, 
is a rechda Haha,
fia de Madln is a zgring 
und fia de Hea is a zschwaa!
wer nicht genau weiß, was ein Gstanzl ist, möge das bitte auf Wikipedia nachlesen!
Übersetzungshilfe: a rechda ... - ein rechter ... / zgring - zu leicht / Hea - Hühner / zschwaa - zu schwer 

a Draumined - von der Wortgruppe i drau mi ned 
ein Traumichnicht, also ein ängstlicher Mensch. So hat man früher die Kinder gern genannt, wenn sie zögernd vor einer neuen Situation (wie dem 10m-Brett usw.) standen. Heute ist das nicht mehr p.c. (psychologisch correct) 

da Muas - vom Verb miassn
mid Muas ged goanix  (mit Muss geht gar nichts)  man kann nichts erzwingen. etwas mit Muss machen  heißt: sich zu einer Sache zwingen, etwas unbedingt machen wollen, das aber anscheinend nicht so leicht geht. des muas do gee! das muss doch gehen! mag man angesichts eines Problems ausrufen, und dein Kollege sagt darauf: mid Muas ged goanix.

da Hea Gscheid - vom Adjektiv gscheid
Hier wird ein Adjektiv sogar zu einem Familiennamen: der Herr (oder auch Frau) Gescheit ist der klassische Besserwisser. Oder jemand, dem unterstellt wird, dass er glaubt, es besser zu wissen. 

da Juchee - von der Interjektion juchee
dieses Substantiv ist eine Sammelbezeichnung für alle erhöhten Örtlichkeiten, wie: das oberste Stockwerk eines Hauses, ein Gerüst, ein Silo etc. - und auch für den obersten Rang im Theater.  Es entstammt entweder der Angewohnheit der Landbevölkerung, bei erreichen eines Gipfels laut zu juchazn (also Juchhe! zu rufen), oder es heißt so, weil im Theater am Juchhe früher das einfachere Publikum saß, das oft auch lautstark mit selbigen Rufen ihren Beifall kundtat.

da Griasdigod - von der Grußformel grias di God!
kommt einzig und allein im Ausruf: a so a södsauma Griasdigod! vor - wörtlich: so ein seltener Grüßdichgott! - das sagt man zu einem Bekannten, den man ganz selten (olle heulign Zeiddn) trifft, wenn man ihn dann trifft.

an Gaachn griagn - vom Adjektiv gaach
dieses Wort wird nur im Akkusativ verwendet: gaach heißt jäh, ruckartig, schnell. Einen Gaachn kriegen jähzornige Menschen, wenn sie ausrasten, die Beherrschung verlieren und durchdrehen.

 

Sonntag, 25. August 2013

s weda

das Wetter in St.Pölten 

graad da hau aum misd, endad si s weda oda s bleibd wia s is. Diese allgemeingültige Wetterregel kann getrost auch auf das Wetter in der niederösterreichischen Landeshauptstadt angewendet werden. Aber eine andere Regel gab es nur in dieser Stadt. Gab es, denn sie ist, Gott sei Dank, nicht mehr aktuell:

Glanzstoff-Fabrik 1904
Bis zum Jahr 2008 produzierte die Glanzstoff-Fabrik im Norden der Stadt Viskosefasern. Dabei entstand durch den Ausstoß von Kohlenstoffdisulfid und Schwefelwasserstoff ein typischer Geruch nach faulen Eiern, der St.Pölten über Jahre hinweg bei allen Durchreisenden bekannt machte, die nicht einmal einen Fuß in die Stadt zu setzen brauchten, um zu wissen: in St.Pölten stinkts. Die Einwohner, die im Norden zuhause waren, hatten anscheinend irreversible Veränderungen in ihrem Geruchsorgan erlitten, denn sie versicherten, nichts zu riechen. Alle, die südlich der Westbahnstrecke wohnten, nahmen allerdings die schwankenden Intensitäten des Schwefelgeruchs wahr und leiteten daraus die Wetterregel ab:

waun d glaunzschdof schdingd, kumd a regn  -  wenn die Glanzstoff stinkt, kommt Regen

regn [ʀegŋ] - Regen   aber:  renga ['ʀeŋɐ] - regnen.   Regen wird mit einem ŋ am Schluss gesprochen, das g davor ist fast nicht mehr vorhanden. Beim Verb verschwindet es vollends und es wird am Ende wie das standardsprachliche Wort "Ringer" gesprochen.

regnwuazzn
regnwuazzn - Regenwurzen  sind hakenförmige Cirrus-Wolken am blauen Himmel, die so heißen, weil sie einen Wetterumschwung ankündigen.
es drebbfed scho - wenn es tröpfelt, wird es jeden Moment richtig losgehen
an schledara oder an schüdda macht es, wenn es kurz aber heftig regnet, dann daschld das Wasser aus den Regenrinnen aufs Pflaster.  
es waschld sagt man hingegen übers Wetter, wenn es den ganzen Tag ordentlich dahin regnet. Wer dann keinen Schirm dabei hat (ganz alte St.Pöltner sagten noch: barablüü - vom französischen parapluie), der wird waschl-nos (patschnass). 
nau, jezd kauns es owa! ist ein Ausruf, der so viel bedeutet wie: na, jetzt ist der Regen aber ziemlich heftig!
Wenn der Regen richtig stark und langanhaltend ist, kann man auch sagen: 
es rengd schuasdabuam! (es regnet Schusterjungen), da nutzt es nicht mehr viel, eine
Wetterhexe
wedahexx (Wetterhexe) aufzusetzen. So hieß dieses Ding aus transparentem Kunststoff in der Größe eines Kopftuchs, das vor allem die Frisur der Damen schütze, wenn sie sich z.B. gerade d hoa frisch eidraad hatten (gerade erst die Haare mit Lockenwicklern eingedreht)
wedafleg - Wetterfleck nannte man einen Umhang aus Loden,
belarine - Pelerine einen ärmellosen Regenmantel aus Kunststoff, der genau wie der Wetterfleck über dem normalen Gewand getragen wurde.
es duad nöwereissn - Nebelreißen ist die Bezeichnung für den feinen Sprühregen, der mit dem Nebel manchmal einhergeht.
es duad nua so a wengal draurenga ['dʀɑ̃:ʀeŋɐ] - es regnet nur so ein bisschen dahin - man weiß nicht, wird das noch ein richtiger Regen, oder hört es bald auf.

Nach den drei Eisheiligen Pankratius, Servatius und Bonifatius kommt am 14.Mai die Hl. Sophie. Eine Wetterregel sagt, dass es an diesem Tag meist regnet, darum nennt man die Heilige hier auch:
de rearade soffal - die weinende Sopherl

a weda  ist ein Gewitter. Zur Präzisierung kann man sagen: a dunaweda (Donnerwetter). Zu uns Kindern sagte man dann:
da himmefodda schimbfd - der Himmelvater schimpft.
Und wenn es richtig arg donnert und blitzt, dann sagen manche ängstliche Gemüter:
do ged an da schiach au - wörtlich heißt das: da geht einem der Schiach an. Der Schiach ist die substantivierte Form von schiach - hässlich, unschön, grausig. Das ist sozusagen die Verfassung in die man kommt, wenn eine angstmachende Situation eintritt.

Herrgotts-Stimmung
Hat sich der Regen wieder verzogen und die Sonne kommt wieder hervor, sagt man:
d sun kumd fira
heagods-schdimmung (Herrgotts-Stimmung) nannten wir das, wenn die Sonnenstrahlen zwischen den Wolken hervorbrachen - wohl durch barocke Kirchenfresken beeinflusst.
di lisl nennt man die Sonne, wenn sie nett wärmt,
di göwe sau sagt man hingegen seit einigen Jahren auch bei uns zum Zentralgestirn, wenn sie wieder einmal viel zu stark owe-brend ['ɔvəbʀend].
mia rindda dreg owe (mir läuft der Dreck vom Körper) heißt es dann, wenn man ordentlich schwitzt. Dann ist es richtig Sommer, manche Menschen bekommen ihre
gugascheggn (Sommersprossen - die Schecken rund um die Gucker, das sind die Augen) und die Leute strömen ins koidbod (Kaltbad heißt das Sommerbad immer noch. Daneben gabs den fee, den Eissalon Fedrizzi, inzwischen heißt der Bachinger)
bachalwoam (Bacherl-warm) ist jetzt auch das Wasser der Seen.

Wenn dann die ersten Herbststürme übers Land ziehen, und es ist so ein recht windiger Tag, kann man sagen:
des is owara windglaudan! - das ist aber ein stürmisches Wetter! da wind, da wind, das himmlische kind! wiederholen die Leute Mantra-artig, wenn wieder irgendwas umgeweht wurde.
feichdlad ist es dann (feucht) und alle sagen: es heabsdld! - es herbstelt.

Im Winter sind die Straßen manchmal ziemlich rutschig:
es is hei! heißt: heut hat es aber ordentlich Glatteis.
gfread hat es in der Nacht, wenn es Frost gab.
graab nennt man das Wetter, wenn es grau und trostlos ist. 
es schneibbd sagt man, wenn es schneit.
es schneiwald ['ʃnɛvɐɫd] (das ist sozusagen der Diminuativ von schneien) sagt man hingegen, wenn es nur so leicht dahin schneit.
schneegwadn sind Schneewächten,
a bozzada schnee (patziger Schnee) sagt man, we nn der Schnee nass und schwer fällt. Am Boden wird er dann schnell ein
gaadsch - Matsch. Steigt man darin herum, hat man bald de glaazn aufd schuach biggn - dann kleben die Matschbrocken an den Schuhen.
schroin sind jene kompakten Bruchstücke der Schneedecke (also in etwa Schnee-Brocken), die zum Beispiel der Schneepflug am Fahrbahnrand hinterlässt.




Mittwoch, 21. August 2013

d fiicha bei uns


gib mir Tiernamen!

Der merkwürdigste Tiername in unserer Gegend ist zweifellos der ösda-koal [ˈœsdaˌkɔɐɫ] (das l ist ein Meidlinger l, also bitte nicht wie in Koala-Bär) Übersetzt heißt das: Elster-Karl. Meines Wissens ist damit Pica pica der einzige Vogel mit Vornamen.  

weitere Tiere (nur eine Auswahl ):



schbeenodla
schbeenodla  sind ganz kleine Fische. Sie heißen nach der  Stecknadel: schbeenodl.   
  
des adaxl [ 'a:daksɫ] - die Eidechse 

de grood [gʀo:d] (pl.: groodna) - die Kröte  groodnloggn ['gʀo:dnˌɫɔg:ŋ] (Krötenlacke) ist die folgerichtige Bezeichnung für einen von diesen Amphibien bewohnten Tümpel. Abfällig wird auch schon mal ein kleiner Badesee so bezeichnet. Nicht selten fallen die Lurche aber auch der Automobilität zum Opfer, ihre sterblichen Überreste zum Vorbild nehmend, sagt man zu Menschen, die im Liegen vor Müdigkeit alle Viere von sich strecken: du ligsd do wiara zbraggde grood! 
  
ödeis
da ödeis ['œdɛs] ist der Iltis. Bekanntermaßen besitzen diese Tiere Analdrüsen, aus denen sie zur Reviermarkierung oder zur Verteidigung ein übelriechendes Sekret absondern können. Deswegen sagt man über Mitmenschen, auf die das zutrifft, auch: dea schdingd wiara ödeis!


da kiniglhos ist das Kaninchen. Ganz allgemein wird nicht sehr stark zwischen Kaninchen und Hasen unterschieden: wenn es a hosnsoss zu Mittag gab, war es selbstverständlich nie eine Sauce vom Feldhasen.

da schea ist der Maulwurf, die von ihm aufgeworfenen Hügel heißen scheahauffn

da gigara [ 'gigaʀa] ist eine abfällige Bezeichnung für das Pferd  

des ros  Pl.: ros - so sagte man früher, heute heißt es meist bfead. In manchen Wörtern lebt das Ross allerdings noch weiter: im ros-schwaaf (Pferdeschwanz) oder im roslewakaas (Pferdeleberkäse) - diese gleichermaßen beliebte wie verachtete Speise wird nur von einigen wenigen Fleischern erzeugt, man nennt so einen Fleischhauer bebbihogga also Pepihacker. Diese Bezeichnung kommt aus der Zeit, in der man als Frau gerne ein Haarteil (den sog. Pepi) trug, die Ärmeren konnten sich aber keine Echthaar-Teile leisten und mussten auf solche aus Pferdehaar zurückgreifen. (Es gibt übrigens noch einen Pepihacker mitten in der Stadt)


weitere aus dem bäuerlichen Umland eingewanderte Tierwörter sind:

sauna, faaln [fa:ɫn] und da saubeer - Säue, Ferkel und  das männliche Schwein (Saubär)
de gaas, Pl.: geass, da gaasbog  -  die Ziege, der Ziegenbock
kia, schdialn [ 'ʃtɪɐɫn]  -  Kühe, Stiere


a dochhos [ 'dɔχhɔs] Katzen nannte man seinerzeit auch Dach-Hasen,  nicht zuletzt, weil man sie in Notzeiten genau so zu einem Mahl zubereiten konnte.

da rozz [ʀɔts] - die Ratte. Um sie noch mehr zu erniedrigen, wo sie doch ohnehin schon so ein schlechtes Ansehen hat, nennt man sie auch da heislrozz, also Häuslratte, die Ratte, die sich beim Abort herumtreibt.

faschidane fegl:

da ösda koal - die Elster
a feiggl - ein Falke  (sollte eigentlich Neutrum sein, aber irgendwie widerstrebt es mir, des zu schreiben)
da gaunausa - der Gänserich
da haudidl - der Hahn
da Indian - der Truthahn 
singal ['siŋɐɫ] - Küken (Pl.)

beel [bɛ:ɫ] - Biene (Achtung auf die Aussprache: offenes langes e und ein - etwas nasales - Meidlinger l) der Imker hieß früher auch: beerama [ 'bɛ:ʀama]. Hatte mich meine Großmutter im Winter wieder einmal viel zu dick angezogen, sagte mein Vater darauf: haums di wida auzogn wiaran beerama!

de gössn - die Gelse, Stechmücke  
de webbsn - die Wespe
da huanausa - die Hornisse
da brema - die Bremse
des bochal - die (Blatt-)Wanze.  Schon uns Kindern wurde beigebracht, diese Insekten nicht zu fangen, weil sie sich - genau wie der ödeis - mit einem stinkenden Sekret verteidigen.
de schbinarin - die Spinne 


daneben gibt es Tiere, die gibt es gar nicht:

da zechnwuam beißt Kinder, die keine Hausschuhe tragen.
des miazznkeuwe - das Märzenkalb wohnt in Gewässern, denen Kinder nicht zu nahe kommen sollen.
da dazzlwuam - der Tatzelwurm ist ein Drache, und die sind bekannterweise auch lange ausgestorben.
des rauraggl - das Raurakl (einen Hasen mit Geweih)  haben bis jetzt nur Jäger gesehen.


Montag, 19. August 2013

de gschrobbm


Kind sein in St.Pölten

Viele der Wörter und Wendungen, die Kinder in St.Pölten im Laufe ihres jungen Lebens zu hören bekamen, verschwinden mit der Zeit. Vielleicht erinnern sich heutige Eltern und Großeltern durch diesen Blog wieder daran und geben sie an ihre Kinder und Enkel weiter...

buama und mendscha - zu den männlichen Nachkommen sagt man immer bua, egal in welchem Alter. Für das Mädchen - vom Kleinkinder-Alter bis zur Pubertät - verwendete man früher hauptsächlich das mensch; madl wurde einerseits zur Unterscheidung im Babyalter verwendet (iss a bua odar a madl?), andererseits  waren damit eher die jungen Mädchen im heiratsfähigen Alter gemeint (hosd a madl? hieß auch: hast du eine Braut?) Heutzutage klingt aber mensch in den meisten Ohren abwertend und wird in der Stadt mehr und mehr vom madl verdrängt.

gschrobbm oder schrobbm sind die Kinder, vor allem dann, wenn sie einem gerade zur Last fallen,

gschraazn oder schraazn sind die Kinder der anderen, vor allem dann, wenn sie einem gerade zur Last fallen. gschraa ist das Geschrei.

schrogn [ʃʀɔgŋ]  genauso verhält es sich mit dieser Bezeichnung: es sind immer die Kinder der anderen, die furchtbar sind.

baungad - Bankert heißt auf der Bank gezeugt (anstatt im Ehebett), also Bastard, und ist kein sehr nettes Wort. Man sagt es auch nur, wenn die Eltern des Kindes, das man meint, nicht anwesend sind.


Lieb sind Kinder ja bekanntlich vor allem im Baby-Alter mid an hoibm joa kennd mas fressn; mid sechzen eagad ma si, das mas ned dau hod. sagt man.


so trug man ein Binkerl
buzzal, bauxal, waugal, binggal sagt man zum Baby, buzzal kommt von putzig, ein waugal ist eine (Woll-) Fussel und ein binggal ist ein Binkerl (von Binden), also ein zusammengeknotetes Tuch, in das man früher seine Sachen oder auch die Jause gepackt hat. Ein ganz besonders lieber Kosename ist heazzibinggi.

im windlmeazedes, also im Windel-Mercedes fahren sie, wenn sie klein sind, später dürfen sie auf Papas Schultern keisareiddn (Kaiser-reiten), man sagt auch, sie werden buglgraxxn drogn (Buckelkraxe getragen). Sie trinken aus dem duddi-flaschi, und das a-a in den Windeln hat die Farbe gagalgöb ['gagɐɫgœb]. Wenn die Mama mit ihrem Kind kuschelt (waun si ia kind o-schnudld) und die beiden die Wangen aneinander reiben, sagt sie: ei-ei! stoßen sie mit den Stirnen zusammen (midn hian), sagt sie: bogga-dusch! plumpst das Kind auf seinen Popo, sagt sie: bumsdanazl! ['bumsdaˌna:tsɫ]. Wenn es bereits laufen kann und hinfällt, sagt sie: hosd a mausi gfaungd? springt das Kind übermütig auf und ab, kommentiert sie es vielleicht mit den Worten: hubbfde-wi-schbringdde! wenn es draußen kalt ist, sagt sie: huschi, wenn sie das Kind dann ganz dick anzieht, sagt man, es ist au-bemmad [ˈɑ̃bem:ɐd]. Beim Essen seines Breis bekommt das Kind ein drenzbaddal (Lätzchen) umgebunden. Meist geht es nicht ohne zu patzen, dann sagt die Mutter: du bozznlübbe! (oder auch: bozznjanka) und wenn das Kind schon selber ist und das Essen allzu hastig in sich hinein stopft, sagt sie: baumbf ned so!

Babys lachen gern und die Erwachsenen stehen drauf. Um das Lachen hervorzurufen gibt es unzählige Möglichkeiten, eine davon: rend a mausi üwas hausi, wo wiads rosdn? do im kosdn! dabei kitzelt man das Kind von den Fingern oder vom Bauch beginnend, bis man schließlich bei 'da im Kasten' unterm Kinn endet. Oder der Erwachsene versteckt sein Gesicht, um es gleich darauf wieder zu zeigen, er ruft dabei gugu! dscha! Oder man kitzelt das arme Kind einfach und sagt dabei gizi, gizi! Hat sich das Kind dann vor lauter Lachen verschluckt (fakuzzd) kann man sagen: kuzz, kuzz! oder es bekommt Schluckauf vom Lachen, den nennt man dann schnagal-schdessn ['ʃnagɐɫˌʃtəs:n] (Erwachsenen sagt man übrigens im Falle eines Schluckaufs, dass jetzt gerade jemand an sie denke...)

wuli-anddi, bibbi-hendi und muu-kuli - für Kinder erfand man immer schon neue Namen für die Tiere, die ihnen so begegnen, in dem Fall  Enten, Hühner und Kühe. daneben gibt es noch: miizi-kazzi, wauwau, i-aa und nudschi-fali (das Schweinchen). Ein weiterer Name für die Ente ist dugg-anddal ['dug:antɐɫ] - hier stand wohl Walt Disney's Duck-Familie Pate. 

bussi schiggn
Was vor allem größere Kleinkinder gar nicht so mögen, ist das zwiggabussi, beim Zwickerbussi packen die Erwachsenen beide Backen beim Schmatz auf den Mund. bussi gschdoin, also gestohlen sagen sie, wenn sie das Kind mit einem Schmatz überrascht haben. bussi schiggn (schicken) - oder neuerdings: lufdbussi ist die bekannte Kusshand: Ein Kuss auf die Finger und den dann "wegblasen". Handelt es sich um eine Verabschiedung, sagt oft jemand zum Kind: dua babaa-winggn! also in etwa: winke zum Abschied!

Wenn die Kleinen dann größer sind, sagt man zu ihnen: schnibbfa, düwe, rozbua, lausbua (zu de buam) oder a o-draade, frozz, rozmensch, lausmensch (zu de menscha) Schnipfer ist ein anderes Wort für Lausbub, Dübel nennt man unter anderem eine Beule am Kopf und Rotzbub ist eigentlich ein Schimpfwort, wenn der Junge rotzfrech war. o-draad heißt abgedreht, das soll heißen, das Mädchen hat den Dreh raus, wie man eine bestimmte Sache von den Erwachsenen bekommt. Man sagt oft: nau du bisd owa a gaunz a o-draade.

benzzn, biizln, diidschad sei - benzen ist eine wirklich nervtötende Art um etwas zu betteln, und wenn man es nicht bekommt, mündet es oft ins bitzeln. Das ist ein bestimmtes Kinderweinen: wenn das Kind nur mehr angestrengt zu weinen versucht, um seinem Anliegen Nachdruck zu verschaffen. hea auf zum bizln, du hosd heidd scho drei eis ghobd, du griagsd kans mea! wenn es aber trotzdem darauf beharrt, darf man mit recht behaupten, es sei trotzig: sei ned so diidschad!

Früher gab es viele Verbote für uns Kinder, aber auch viel mehr Freiheiten. Mit zehn, zwölf waren wir den ganzen Nachmittag mit anderen Kindern irgendwo, meist in der Au oder auf einem Spielplatz, ohne dass die Eltern wussten, was wir trieben. Andererseits gab es viele Regeln: Zuhause durften wir nie ohne Hausschuhe (schlabbfm) gehen, sonst kam der zechnwuam und biss uns in die Zehen; wenn ein Kind schlimm war, kam der wuliwuk, um es zu holen, ging es zu nahe ans Wasser, sprang das miazznkeuwe heraus. Am Mittagstisch musste immer alles aufgegessen werden (ois zaumessn, damids muang schee wiad) - auch wenn es uns nicht schmeckte. Zu trinken gab es erst danach. Außer wenn wir Äpfel gegessen hatten, dann durften wir nichts trinken, weil wir sonst Bauchweh bekommen hätten.

Gewaltfrei war die Erziehung früher nicht. Als in den 70ern langsam die Idee aufkam, Kinder ohne Schläge groß zu ziehen, wurde das zuerst kopfschüttelnd als diese antiautoritäre Erziehung dieser langhaarigen Kommunen-Typen abgelehnt. In vielen Familien hing ein Teppichklopfer im Abstellraum, obwohl überall nur Spannteppiche lagen.

waadschn, fozzn, dedschn, floschn sagt man zur Ohrfeige. in hinddan ausghaud (den Hintern versohlt) bekamen schon die kleinen Kinder. Bis in die Sechziger Jahre sagte man auch wixx griagn - wichsen bezeichnete nämlich das Putzen von Schuhen und Stiefeln, und die Handbewegung bei dieser körperliche Züchtigung erinnerte anscheinend daran (heute kommt dieses Wort in dieser Bedeutung nur mehr in der Wendung mia hods ane gwixxd - ich hab einen elektrischen Schlag bekommen - vor). du bedlsd heidd wida um a waadschn (du bettelst heute wieder um eine Ohrfeige) sagte die Mutter, oder du beidlsd aum waadschnbam (am Watschenbaum rüttelt man so lange, bis eine runter fällt). Oder: giwa rua sunsd schnoizzds! (...sonst schnalzt es) oder ...sunsd gleschds! oder ...sunsd schewads (...scheppert es). Manchmal wurde gleich a baggl hausdedschn angedroht - eine Packung Haus-Tetschen. Wollte die Mutter aber nicht selber zuschlagen, sagte sie: nau woadd nua bis da fodda hamkumd! (na warte nur bis Vater heim kommt!) Vom Familienoberhaupt hat das zu strafende Kind dann uandlich wosch griagd (Wasch kriegen kommt von waschen - eine Abreibung also)

Spiele

Bevor es Spielkonsolen gab, spielten Kinder mit ihresgleichen, meist draußen. Statt Scooter gab es Tretroller und statt Facebook gab es die Türklingel. 

bummawizzl
dradiwawal ist der immer noch beliebte Kinderkreisel. Das Wort bedeutet übrigens: dreh dich, Barbara!

bummawizzl - Stehaufkreisel  ist ein Kreisel, der sich auf den Stiel stellt, wenn er gedreht wird.  

hudschbfead  - man sagt heute noch: grinsn wiara frisch lakiads hudschbfead. Als man mich 1964 auf das Pferd - eigentlich ein Esel - setzte, war mir anscheinend nicht zum Grinsen zumute.

nochrena - Fangen durfte man jemanden nur, wenn er oder sie nicht im hugalili war.        

schneida, schneida leich ma d schea! Schneider, Schneider, leih mir die Scher' kann nur im Freien gespielt werden: alle Kinder suchen sich einen Baum, Ein Kind, das vorher bestimmt wurde, geht von einem zum anderen und sagt: schneida schneida leich ma d schea! Der/die Angesprochene sagt so was wie: do drübn liegds! Inzwischen müssen alle Kinder ihren Baum wechseln und das scherensuchende Kind versucht, einen unbesetzten Baum zu erhaschen.

ollas wos fliagln hod fliagd sagt ein bestimmtes Kind und hebt dazu beide Hände in die Höhe, dann sagt es verschiedene Begriffe wie z.B.: a aumschl fliagd, a flugzeig fliagd, a auddobus fliagd... und hebt dazu immer die Hände hoch. Alle anderen Kinder müssen ebenfalls die Hände heben - aber nur bei jenen Dingen, die wirklich fliegen, wer einen Fehler macht, ist draussen.

reiwa und schandaam - Räuber und Gendarm. Bis 2005 gab es in Österreich außerhalb der Städte die Bundesgendarmerie, die für Ruhe und Ordnung sorgte. (gens d'armes heißt wörtlich Leute der Waffen)

gummi-hubfm - Gummi-Hüpfen wurde praktisch ausschließlich von Mädchen gespielt: ein langes Gummiband wird von den Beinen zweier gegenüber stehenden Spielerinnen gespannt, ein drittes Mädchen hüpft einen vereinbarten Rhythmus zwischen oder auf den Gummibändern.

o-nemma
onemma - Abnehmen nannten wir das weltweit bekannte Faden-Spiel, bei dem es darum geht, durch besondere Griffe eine Schnur, die um die Finger des Gegenübers geschlungen ist, "abzunehmen", sodass sie wieder eine Figur um die eigenen Finger bildete. Stichworte: wiang, bedd, wossa, hosndraga.

dembbe-hubfm
dembbe-hubfm - Tempelhüpfen ebenfalls seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden wird dieses Spiel auf der ganzen Welt gespielt.

gliggas
gliggas - Klickers (eigentlich: Klick-Klack) hieß eine kurze aber lautstarke Modeerscheinung in den Siebziger-Jahren, die eigenartigerweise nie ein Revival erlebt hat, was den Handgelenken der Kinder sehr zugute kommt: Ziel des Spieles war, die beiden Kugeln abwechselnd unter- und oberhalb der Hand zusammenschlagen zu lassen. Verfehlte man den genauen Anschlagpunkt auch nur um Millimeter, knallte man sich die Dinger schmerzhaft gegen die Handgelenke, die bald dick geschwollen waren. Bei den älteren St.Pöltnern hat sich das Wort noch in einem anderen Zusammenhang erhalten: Die Form erinnert an einen anderen Körperteil und ebenfalls schmerzhafte Erlebnisse (ea hod eam ane auf de gliggas ghaud...)

zenaln ['tsenɐɫn] - Zehnerln hieß das Spiel, bei dem ein Ball gegen eine Wand geworfen und wieder aufgefangen wurde, wobei sich der Schwierigkeitsgrad von Durchgang zu Durchgang steigerte, indem z.B. dazwischen in die Hände geklatscht oder eine Drehung vollführt werden musste

bfidschibfeu - die Pfidschi-Pfeile haben wir uns zum Indianer-Spielen immer selbst mit dem doschnfeidl (Taschenmesser) geschnitzt, den Bogen aus einem frischen Ast und einer Schnur gebastelt (weil: an feidl und a schnua hod jeda richdige bua)

fidschigogaln oder bfidschigogaln war der beliebteste Pausen-Sport in der Schule: Spielfeld eine Schulbank, der Ball war ein 10-Groschen-Stück, die Spieler waren zwei Geodreiecke. Na die hatten bald Ecken, dass keine gerade Linie mehr damit zu ziehen war!





Montag, 5. August 2013

Redensarten und Redewendungen - Teil 2


hods di oda griagds di? [ˈhɔdsdɪoda ˈgʀiɐgdsdɪ]  -  (hat es dich oder kriegt es dich?) spinnst du? 

eine Floskel, mit der man rasch und eindringlich auf eine Handlung eines lieben Mitmenschen reagiert, die man auf keinen Fall als normal und an die Situation angepasst erachtet. Während dies jedoch noch beinahe liebevoll klingt, hört sich die folgende Frage schon ernsthaft besorgt an:

haums di griassn lossn?  -  haben sie dich grüßen lassen? (hat dir jemand Grüße ausrichten lassen?) heißt soviel wie: bist du jetzt komplett wahnsinnig geworden?

is des a keadsi? [ˈkeɐtsɪ]  -  (ist das ein Gehört-sich?) benimmt man sich so?

hier sehen wir übrigens sehr schön, wie frei der Dialekt mit der Grammatik umgeht: manchmal werden Wörter oder Wortgruppen zu Substantiven h.c. ernannt: da keadsi (das gute Benehmen), da waun ("das Wörtchen wenn" siehe hier), a haha (ein lächerlicher Mensch), a draumined (ein Traumichnicht, also ein ängstlicher Mensch), oder auch da muas:

mid muas ged goanix  (mit Muss geht gar nichts)  man kann nichts erzwingen

etwas mit Muss machen  heißt: sich zu einer Sache zwingen, etwas unbedingt machen wollen, das aber anscheinend nicht so leicht geht. des muas do gee! das muss doch gehen! mag man angesichts eines Problems ausrufen, und dein Kollege sagt darauf: mid muas ged goanix.

auf jo und na  oder: auf jona [ɑf jɔ und na:] [ɑf 'jɔna] - (auf ja und nein) im nu,  eh du dich versiehst

so schnell kann's gehen, ehe man ja und nein sagt, ist es auch schon passiert:  auf jo und na is da summa wida fuabei  und eh du dich versiehst, ist der Sommer wieder vorbei. jezd ligd des buzzal no im kindawogn - owa auf jona wiads söwa rena  jetzt liegt das Baby noch im Kinderwagen - aber im nu wird es selbst laufen können.

do samma üwa ... redad wuan  -  da kam das Gespräch auf ...

das sagt man zum Beispiel im Bericht, wie man kürzlich die Nachbarin getroffen hat und über jemanden geredet hat: neilich howi di Nawratil droffn unddo samma so üwan Berger redad wuan, hosddu gwusd, das dea... und schon wird fröhlich die Schmutzwäsche anderer Leute gewaschen. Grammatikalisch betrachtet, zeigt dieses Beispiel, wie im Dialekt das Partizip I verwendet wird: redad = redend.
 
ge, sei so gniawaach... [ ˈgniɐva:χ]  -  geh, sei so knieweich... dann folgt eine Bitte, also etwa: sei so gut und... mach mir den Gefallen und...

eigentlich bedeutet "knieweich" ängstlich, desperat; in manchen St.Pöltner Familien hat sich aber lustigerweise diese Verwendung eingebürgert:  ge, sei so gniawaach und bring mar an kafee mid!  komm, sei so gut und bring mir einen Kaffee mit!

des zead si! - das ist cool!

...ist leider bereits ausgestorben. Diejenigen von uns, die in den 70ern des vorigen Jahrhunderts zur  Schule gingen, kennen es vielleicht noch: es war der Superlativ, der dann mit Ausstrahlung der Quizsendung "Dalli Dalli" von Spitze! abgelöst wurde.