Freitag, 26. März 2010

Aussprache 1: das L

 


Um für einen St.Pöltner gehalten zu werden, muss man vor allem diesen kleinen Unterschied in der Aussprache beherrschen, der diesen Dialekt vom Wienerischen unterscheidet.

Ganz wichtig ist die Korrekte Aussprache des L-Lautes. Für "Hochdeutsch"-Sprecher besonders schwer, die Standardsprache ist ja im Vergleich zu unserem Dialekt sehr arm, was die verschiedenen Qualitäten dieses Lautes betrifft.


das L am Wortanfang, sowie nach e, i, eu, ei, ü:
Der Buchstabe wird in etwa so wie in der Standardsprache gesprochen, aber nicht ganz so rund;  das heißt, die Zunge wird nicht ganz so weit gebogen, sie liegt nicht oben am Gaumen an, sondern kurz nach dem Ansatz der Schneidezähne. Dabei wird sie aber nicht so stark nach oben gepresst, dass ein "meidlinger l" entsteht. St.Pöltnerisch klingt nie wie Meidlingerisch!

leid (Leute), laab (Laib), lifdig (lüftig, sommerlich gekleidet), loddabedd (Sofa)
eleggdrisch (elektrisch), kilo (Kilogramm), beule (verschwunden), freilich!, zülinda (Zylinder)


nach a (aber nicht, wenn im entsprechenden standardsprachlichen Wort ein r vorausgeht und kein Vokal folgt), sowie nach b, f, m, o, u, w, au, ö
hier wird das L genau wie in der Standardsprache gesprochen, rund, die Zungenspitze berührt den Gaumen relativ weit hinten.

schaal (Schal),  noamal (normal), egal, alggohoi (Alkohol), mal-rechnung (Multiplikation)
blaad (fettleibig), floch (flach), gummla (Gummelstiefel), doll! (toll!), kuul! (cool!), bawladschn (Bretterbühne, nicht sehr vertrauenerweckendes Holzgestell); baulaund (Bauland), ölig


nach a, wenn im entsprechenden standardsprachlichen Wort ein r vorausgeht und kein Vokal folgt, sowie nach d, n, s, x, z, sch
das "meidlinger l": die Zungenspitze ist ganz vorne an den Schneidezähnen oder ein Stück davor, zusätzlich wird die Zunge an den Gaumen gepresst. Am besten erlernbar, indem man sich vor dem l immer ein d denkt.

Koal (Karl), mualn (murren; wörtlich: murrln), a wengal (ein wenig; wörtlich: wenigerl),
heindl (Harke), giaskaunl (Gießkanne), schlissl (Schlüssel), a haxl schdöön (ein Bein stellen), wuzln (Tischfußball spielen; eine Zigarette drehen), da reng daschld (der Regen rauscht)
nicht bei: Karli (Koseform von Karl), wurlat (kribbelig), balamendd (Parlament), falobung (Verlobung) - hier wird das l wie in Fall1, am Wortanfang, gesprochen


nach g, ch
dieser L-Laut ist schwer zu beschreiben: Er wird nicht mit der Zungenspitze gebildet, sondern mit dem Zungengrund. Die Spitze ist dabei überhaupt nicht beteiligt, die Luft strömt dabei seitlich, links und rechts der hinten an den Gaumen gepressten Zunge nach vorn.

hagl (Haken, Hagel), bugl (Rücken, Buckel), glubbm (Wäscheklammer), saggl (Säckchen, Tüte), wachln (Luft fächeln, winken), fachl (Fach in einem Schrank)

Mittwoch, 24. März 2010

noch Wien owe, noch Linz auffe



Jede Gegend, in der in Österreich Dialekt gesprochen wird, hat ihre eigenen Lokaladverbien in Verbindung mit geografischen Bezeichnungen. Bei uns sind dies: owe, auffe, eine, ausse, umme (hinunter, hinauf, hinein, hinaus, hinüber). Welche jeweils verwendet werden, ist aber auch innerhalb einer Region umstritten, und ich bin sicher, viele würden die folgenden Beispiele anders benutzen.

Für mich hat sich immer schon die Frage gestellt, wie diese Bezeichnungen zustande kommen. Ich denke, es gibt folgende Grundprinzipien:

Orientierung der Landkarte:

noch Keanddn owe, noch Iddalien owe, ins Woidfiaddl auffe
(Kärnten, Italien, Waldviertel)


Flusslauf:

Donau:  noch Linz auffe, noch Wien owe, fo Soezbuag owa (Salzburg)
Draasn (Traisen):  noch Drasmaua owe  (Traismauer)

Gebirge:

noch Wümschbuag eine (Wilhelmsburg; hinein ins Traisental) - fon Lilienföd aussa (Lilienfeld; heraus aus dem Tal)
noch  Hofschdeddn eine (Hofstetten), noch Mariazöö eine (Mariazell)

dazwischen liegende Erhebungen oder Gewässer:

noch Owagrofndoaf umme (Obergrafendorf; über den Völtendorfer Berg), noch Grems umme (Krems; über den Göttweiger Berg, bzw. über die Donau)
noch Schdadasdoaf umme (Stattersdorf; über den Fluss Traisen)

Stadtgebiet:

noch Schbrazan ausse (Spratzern; hinaus aus der Stadt; jemand, der in St.Georgen wohnt, würde in d schdood eine fahren)



Allen Wienern, die jetzt meinen, dass man nach Wien hinein fährt, sei gesagt: von den Wiener Randgemeinden, sowie von den Gemeinden entlang der Südbahnstrecke mag das stimmen. St. Pölten allerdings liegt nicht "draussen vor der Stadt", deswegen fahren wir auch nicht nach Wien hinein sondern hinunter!

da kobbrofoa


Viele ältere St.Pöltner (so wie ich ;-) kennen noch den "kobbrofoa". Kaum jemand sonst auf der Welt kann sich darunter etwas vorstellen. Nun, hier ist des Rätsels Lösung:

kobbrofoa nannten wir die blecherne Mülltonne vorm Haus oder im Innenhof.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert gab es in Wien das von einem gewissen Alexander Hartwich unter dem Namen »Koprophor« propagierte Müll-Entsorgungssystem. Weil die Sammelbehälter nicht entleert, sondern zur Gänze ausgetauscht wurden, trat dabei zwar kaum Staub oder Gestank zu Tage, doch die Methode war recht kostspielig. So wurde 1918 entschieden, das in Köln bereits bewährte »Colonia«-System in Wien zu testen. Dabei wurden die Sammelbehälter in Müllwägen mit einer speziellen Staubschutzvorrichtung entleert. In den folgenden Jahren wurden in sämtlichen Innenhöfen »Colonia-Kübel« aufgestellt. Mehr als 170.000 waren es, als 1923 die Umstellung auf das bis heute gebräuchliche System abgeschlossen war.

Dass sich die Bezeichnung "Koprophor" gerade in St.Pölten so lange hielt, muss wieder einmal damit zu tun haben, dass wir hier ständig einige Jahre hinten sind - entschuldigung - waren. Denn das hat sich ja doch wohl in den letzten Jahren geändert, oder?

Quelle: www.ecology.at

zuwe, dauna, firanaund


Alle bairischen Dialekte besitzen einen großen Reichtum an Adverbien der Richtung und des Ortes. Manche haben so spezielle Bedeutungen, dass sie unmöglich durch ein einziges Wort der Standardsprache übersetzt werden können.

Wir St.Pöltner genießen es manchmal geradezu, wenn wir unsere Orts- oder Richtungsangaben auf unseren Zungen zergehen lassen und dabei beobachten, wie die Kollegen aus Norddeutschland vom Stirnrunzeln immer faltiger werden.

zuwe, zuwa

Die Paradewörter der norddeutschen Sprachverwirrung. Wie bei fast allen Richtungsbestimmungen, wird ein Unterschied gemacht, ob die Bewegung vom Sprecher weg, oder zum Sprecher geht.
-e heißt immer weg vom Sprecher, -a heißt immer zum Sprecher. Zur weiteren Konfusion, kann sich aber der Sprecher auch "in eine andere Person hineinversetzen", und die Wörter auf diese Person bezogen verwenden.

zuwe bezeichnet eine Richtung, in die sich ein Objekt oder eine Person bewegt, und zwar immer dann, wenn weitere Personen oder Objekte dort schon warten. Es handelt sich also immer um ein Zugesellen eines Objekts neben ein anderes - und sei es die Wand oder der Zaun:

laan des heindl zun zau zuwe - lehne die Harke an den Zaun (auf die besondere Aussprache des Wortes heindl werde ich später zurückkommen)

zaa da de züün zuwa! - ziehe die Zille (ein einfaches Holzboot) zu dir! Hier versetzt sich der Sprecher in die Person des angesprochenen - zuwa heißt also in diesem Fall: die angesprochene Person solle das Boot zu sich ziehen.

ea muasse scho wida zu de mendscha zuwe schdön! er muss sich natürlich wieder zu den Mädels stellen! Dieses ea ist ein betontes Personalpronomen. Der Satz wird so laut gesprochen, dass ihn der Bezeichnete nicht überhören kann.

de hund dan gean üwaroi zuwe schnofen. Hunde schnüffeln gern an allem. Hier kann man sich richtig bildlich die Hundenase vorstellen, die sich den beschnupperten Dingen nähert.

ge zuwa! weg von der Straße! Wörtlich: geh heran (zu mir). Diese knappe Aufforderung hören täglich tausende Kinder, wenn sie sich zu weit vom schützenden Straßenrand entfernen und ein Verkehrsopfer zu werden drohen.


daune, dauna

dauna ist der schwierige Zwillingsbruder von daune, und das Gegenteil von zuwe. Bei daune verhält es sich genau umgekehrt: es ist das Gegenteil von zuwa.

Beginnen wir mit dem leichteren Wort: daune heißt (ein kleines Stück) weg, zur Seite. Dabei handelt es sich immer um eine sehr kurze Strecke, meist eine Armeslänge oder so ähnlich:

i weame gach a wengal daune leng - ich werde mich kurz ein wenig aufs Ohr hauen (wörtlich: ich werdmich schnell ein wenig zur Seite legen)

ge, hau do des oide glumbbad daune! Ach, wirf doch das alte Zeug weg!

heasd! ge daune, waunsd scho sichsd, das i do fuabei muas! Mann! geh doch zur Seite, wenn du schon siehst, dass ich hier vorbei muss!

leg des schbüüzeig daune und hüüf ma! Leg das Spielzeug beiseite und hilf mir!

dauna kann nur etwas bewegt werden, das vorher irgendwo zuwe gestellt wurde: ge, gib ma de grüne blumenwasn dauna, i hobs duadd zu de aundan zuwe gschdööd! geh, gib mir die grüne Blumenvase her, ich habe sie dort zu den anderen gestellt!

schiab de baung a wengal dauna, das i hinddabei schdaubsaung kau! schiebe die Bank ein wenig (von der Wand) weg, damit ich dahinter staubsaugen kann!


foa a schdiggl dauna, i kaun jo sunsd ned eischdeing! fahr ein Stück (von der Hauswand, vom Straßenrand, was auch immer...) weg, ich kann ja sonst nicht einsteigen!

firanaund

...ist eines der vielen Adverbien, die auf -anaund enden, wie nemanaund - nebeneinander, hinddranaund - hintereinander, duachanaund - durcheinander usw.

Das Wort bedeutet: aneinander vorbei. Aber nicht: aneinander vorbei fahren, reden, etc. Nein, firanaund bezeichnet jene Situation, in der es darum geht, dass zwei Objekte oder Personen so feststecken, oder festgefahren sind, oder wo die örtlichen Verhältnisse so eng sind, dass sie eben nicht aneinander vorbei, bzw. fast nicht aneinander vorbei kommen.

d schdrossn woa so eng, dassd auddo ned firanaund kumma san. die Straße war so eng, dass die Autos nicht aneinander vorbei kamen.


ea hod an schdean grissn und ligd so debbad do, dasa d schi nimma firanaund bringd. er ist so unglücklich gestürzt, dass er die Schier, die sich ineinander verhakt haben, nicht mehr auseinander bekommt.