Grammatik 1 - Transkription


Die hier vorgeschlagene Transkription dient nicht zur Kennzeichnung der korrekten Aussprache des St.Pöltner Dialekts, sie ist keine Lautschrift. Vielmehr muss eine Sprecherin bereits den Klang des Dialekts im Ohr haben, um solcherart übertragene Wörter korrekt lesen – mehr noch: um sie verstehen zu können. Dennoch lehnt sich die vorgestellte Schreibweise näher an die Aussprache an als die meisten gebräuchlichen Transkriptionen.

Um das Hauptanliegen dieser Übertragung, den geschriebenen Dialekt in eine ästhetische Typografische Form zu bringen, darzustellen, sei hier eine kleine Gegenüberstellung angeführt. Links ein Text in der üblichen, an die Standardsprache angelehnten Form, rechts in der von mir vorgeschlagenen Transkription.

Herbst vur der Schlachthofmauer.

die Aug'n zua, geh' i durch mei Straß'n,
in der Luft a leichter G'ruch nach Bluat.
der Würstlstand steht dreckig und verlass'n,
auf aner Bank liegt aner in der Gluat.

die Aug'n zua, geh i durch mei Straß'n
hör' a Auto von da Weit'n, wann i hurch,
und i g'spür den Nebel in da Nas'n
und die gfäulten Blatt'ln unter d' Schuach.



.

heabsd fua da schlochdhofmaua.

de aung zua, gee ri duach mei schdrossn,
in da lufd a leichda gruch noch bluad.
da wiaschdl-schdaund schded dreggig und falossn,
auf ana baung ligd ana in da gluad.

de aung zua, gee ri duach mei schdrossn,
hea auddos fon da weidn, waun i huach,
und i gschbir den newe in da nosn
undde gfeudn blaadln undda d schuach.
.

Im Bemühen um die Verständlichkeit mischt der linke Text Standardsprache und Dialekt wild durcheinander und wird dadurch weder der Verständlichkeit der einen noch der Eigenständigkeit des anderen gerecht. Der rechte Text hält sich hingegen an einfache Regeln, die beschreiben, wie ein ausgesprochener Laut geschrieben wird, und zwar in Abhängigkeit von der Schreibumg in Standardsprache.



1 Konsonanten

 

1.1 Aussprache


b [b] wie in bitte
d [d] wie in danke
f [f] wie in Fisch. Der Buchstabe ersetzt auch das v, wo es so ausgesprochen wird.
g [g] wie in Gut
h [h] wie in Hund. Das h ist niemals stumm. (sonst hätt’ ich’s nicht geschrieben ;-)
j [j] wie in ja
k [k] wie in kommen

l [l] wie in Lust.
l [ɫ] (=“Meidlinger L“) Geht ein Konsonant voran, bei dem die Zungenspitze an den Zähnen anstößt, wird das l weiter vorne gebildet, indem die Zungenspitze direkt gegen die Rückseite der Schneidezähne drückt : budl – Pudel, a masl haum = Glück haben (jiddisch: Massel), s aanl = der Ahn
Ebenso klingt das l, wenn es einem a folgt, das durch den Ausfall eines r in der Standardsprache entsteht (v.a. beim Diminutiv): a wengal = (ein wenig, wörtl.: „wenigerl“), a seichal = ein kleines Sieb („Seicherl“ zu: abseihen)
l [ʎ] palatalisiertes l wie im italienischen Wort "foglio" nach g, ng[ŋ] und ch[χ]: hagl = Haken, schonglian = jonglieren, wachln = winken, flattern

m [m] wie in Musik
n [n] wie in Note
r [ʀ] Gaumen-r (nie mit der Zunge gerollt). wie in Karren. Wird immer ausgesprochen (sonst hätt’ ich’s nicht geschrieben ;-) und mäßig stark gerollt
s [s] ist – wie in Österreich generell üblich – immer stimmlos wie in Wasser
w [v] wie in Wein. Es wird immer mit Unterlippe und oberen Schneidezähnen gebildet. Der Buchstabe ersetzt auch das v, wo es so ausgesprochen wird.
x [ks] wie in Hexe
z [ts] wie in Zucker

die beiden letzten Laute könnten zwar auch durch ggs und dds wiedergegeben werden, sie werden aber aus Gründen der typographischen Ästhetik beibehalten (auch wenn das inkonsequent ist... da dsugga, de foddsn und de heggs erscheinen mir nicht so klar wie: zugga, fozzn und hex.)

ch [ç] nach vorderen Vokalen wie in ich
ch [χ] nach hinteren Vokalen wie in ach
sch [ʃ] wie in Masche. Wie das s ist auch das sch immer stimmlos.
ng [ŋ] wird wie in Junge zu einem Laut verschliffen, bei dem das g am Schluss nicht mehr als solches hörbar ist

Außer den letzten drei, auch aus der Standardsprache bekannten Konsonantengruppen gibt es keine Zusammensetzungen aus Konsonanten, die nicht wie die Aufeinanderfolge der einzelnen Buchstaben gesprochen würden. Dort wo in der Standardsprache st steht und als sch-t gesprochen wird, steht im Dialekt: schd usw. Nicht geschrieben wird also auch ck

1.2 es gibt keine harten Konsonanten p und t (Plosivlenisierung)


Mit dieser Schreibweise soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass diese Konsonanten nicht behaucht ausgesprochen werden (die fortis- und lenis-Verschlusslaute fallen zusammen). d immer wie in Dromedar, nie wie in Trommel. Am Wortbeginn werden die beiden Laute immer ohne Stimme gesprochen: im Wort danke beginnt die Stimme erst nach der Öffnung des d zu schwingen. Im Wortinneren spricht man dort, wo in der Standardsprache ein harter Konsonant steht, im Dialekt den vorangehenden Vokal kurz (das b oder d wird verdoppelt - siehe 2.2).

bewi = Baby
bebbi = Pepi (Josef); Haarteil
da dochd = der Docht
de dochda = die Tochter
de oban (oder: de owan) = die Oberen
de obban = die Opern
seidn = Seide
seiddn = Seite
a bfandl (oder: bfannl) = eine kleine Pfanne
dschinöön = Tschinellen
a schdobbeföd = ein Stoppelfeld
schbuggn = spucken


2 Vokale


Die schwierigsten Laute bei der Transkription sind naturgemäß die Vokale, denn es werden viel mehr verschiedene Laute gesprochen als es im deutschen Alphabet Grapheme dafür gibt. Da ich aber in diesem System großen Wert auf die typographische Ästhetik des Textes gelegt habe, verzichte ich darauf, Sonderzeichen (wie z.B. å ) einzuführen und vertraue stattdessen auf das Gehör und Gespür der Leser.

2.1 Monophthonge:


Alle Diphthonge der Standardsprache werden monophthongisiert, also als ein einziger Vokal gesprochen. Das Dialektwort schweine klingt also ziemlich genau so wie ein hochsprachliches Schwäne.

a [a] wie in "ja"
a [ɐ] wie das unbetonte e am Wortende bei "besser": gean [geɐn] = gern
au [ɑ] wie in engl. "calm": ausse = hinaus

e [e] wie in "Reh": gwesn = gewesen
e [ə] wie in "Mücke": Resal = Reserl (Therese)
ei [ɛ] offenes e wie in frz. "père": da meinige = mein Gatte
eu [ɜ] zwischen ä und ö ; wie in engl. "bird": weu = weil

i [i] wie in sie
i [ɪ] offenes i wie engl. "ink": bebbi = Perücke

o [o] wie in "Rose" immer dort, wo auch in der Standardsprache ein o stehen würde: mosd = Most, dobbed = doppelt;
o [ɔ] wie in "offen", wo es für ein a in der Standardsprache steht: schdrossn = Straße, mochn = machen.
ö [ø] wie in "Österreich", wo in der Standardsprache auch ein ö stehen würde: Samböddn = St.Pölten, dosnöffna = Dosenöffner, ö = Öl.
ö [œ] wie in "rösten", wenn es eine andere Buchstabengruppe (meist -el-) ersetzt: hö = hell, söddn = selten

u [u] wie in "gut"
ü [y] wie in Güte

2.2 Diphthonge: ea, ia, oa, ua, oe, ui


Achtung: die Betonung muss immer auf dem ersten der beiden Vokale liegen!

Die Diphthonge entstehen entweder aus einem Monophthong wie in gut – guad, lieb – liab, trüb – driab;
oder durch Umwandlung eines Konsonanten: Wenn ein r in der Standardsprache ausfällt, steht im Dialekt ein Diphthong mit –a: Berg – beag, mir – mia, Chor – koa, fort – fuadd; Die Diphthonge oe und ui deuten auf ein ausgefallenes –l hin: rollt – roed, kalt – koed, Tulln – Duin

2.3 Kürze eines Vokals


wird durch Verdopplung des folgenden Konsonanten bezeichnet (wie im italienischen wird der Verschluss am Beginn des Konsonanten ein wenig gehalten, bevor der restliche Laut folgt)

a lidda wei = ein Liter Wein – im Ggs. zu:
de lida gschminkd = die Lider geschminkt
eihazzn = einheizen – im Ggs. zu:
blazn (oder: blaazn) = plärren
a guaggn = eine Gurke


2.4 Lange Vokale


am Wortende oder besonders lang gesprochene Vokale im Wortinneren werden durch Verdopplung bezeichnet

schdüü = still
wiar in draam = wie im Traum


3 Folgende Buchstaben werden nicht verwendet:


c (außer in ch und sch). Nicht verwendet, da lautgleich mit z oder k
p stattdessen b oder bb (siehe 1.1.2)
q nicht verwendet, da lautgleich mit gw
t stattdessen d oder dd (siehe 1.1.2)
v nicht verwendet, da lautgleich mit f bzw. w
y nicht verwendet, da lautgleich mit ü bzw. i
ä nicht verwendet, da lautgleich mit e bzw. ei (siehe 1.2.1)
ß nicht verwendet, da lautgleich mit s


4 Besonderheiten des Dialekts, die bei der Transkription zu beachten sind


4.1 Hiatus – zwei aufeinander treffende Vokale


Um den Hiatus zu vermeiden, wird manchmal ein r zwischen die beiden aufeinandertreffenden Vokale eingefügt:

wiar a draam – wie eine Traum
do gee r i gean hi – da gehe ich gern hin

Eine weitere Möglichkeit ist die Wiedereinführung eines ausgefallenen Buchstaben:
hear amoe zua! – hör einmal zu! (im Ggs. zu: i hea nix – ich höre nichts)
hol i de bosd? – hole ich die Post? (im Ggs. zu: i hoe de bosd)