Montag, 19. August 2013

de gschrobbm


Kind sein in St.Pölten

Viele der Wörter und Wendungen, die Kinder in St.Pölten im Laufe ihres jungen Lebens zu hören bekamen, verschwinden mit der Zeit. Vielleicht erinnern sich heutige Eltern und Großeltern durch diesen Blog wieder daran und geben sie an ihre Kinder und Enkel weiter...

buama und mendscha - zu den männlichen Nachkommen sagt man immer bua, egal in welchem Alter. Für das Mädchen - vom Kleinkinder-Alter bis zur Pubertät - verwendete man früher hauptsächlich das mensch; madl wurde einerseits zur Unterscheidung im Babyalter verwendet (iss a bua odar a madl?), andererseits  waren damit eher die jungen Mädchen im heiratsfähigen Alter gemeint (hosd a madl? hieß auch: hast du eine Braut?) Heutzutage klingt aber mensch in den meisten Ohren abwertend und wird in der Stadt mehr und mehr vom madl verdrängt.

gschrobbm oder schrobbm sind die Kinder, vor allem dann, wenn sie einem gerade zur Last fallen,

gschraazn oder schraazn sind die Kinder der anderen, vor allem dann, wenn sie einem gerade zur Last fallen. gschraa ist das Geschrei.

schrogn [ʃʀɔgŋ]  genauso verhält es sich mit dieser Bezeichnung: es sind immer die Kinder der anderen, die furchtbar sind.

baungad - Bankert heißt auf der Bank gezeugt (anstatt im Ehebett), also Bastard, und ist kein sehr nettes Wort. Man sagt es auch nur, wenn die Eltern des Kindes, das man meint, nicht anwesend sind.


Lieb sind Kinder ja bekanntlich vor allem im Baby-Alter mid an hoibm joa kennd mas fressn; mid sechzen eagad ma si, das mas ned dau hod. sagt man.


so trug man ein Binkerl
buzzal, bauxal, waugal, binggal sagt man zum Baby, buzzal kommt von putzig, ein waugal ist eine (Woll-) Fussel und ein binggal ist ein Binkerl (von Binden), also ein zusammengeknotetes Tuch, in das man früher seine Sachen oder auch die Jause gepackt hat. Ein ganz besonders lieber Kosename ist heazzibinggi.

im windlmeazedes, also im Windel-Mercedes fahren sie, wenn sie klein sind, später dürfen sie auf Papas Schultern keisareiddn (Kaiser-reiten), man sagt auch, sie werden buglgraxxn drogn (Buckelkraxe getragen). Sie trinken aus dem duddi-flaschi, und das a-a in den Windeln hat die Farbe gagalgöb ['gagɐɫgœb]. Wenn die Mama mit ihrem Kind kuschelt (waun si ia kind o-schnudld) und die beiden die Wangen aneinander reiben, sagt sie: ei-ei! stoßen sie mit den Stirnen zusammen (midn hian), sagt sie: bogga-dusch! plumpst das Kind auf seinen Popo, sagt sie: bumsdanazl! ['bumsdaˌna:tsɫ]. Wenn es bereits laufen kann und hinfällt, sagt sie: hosd a mausi gfaungd? springt das Kind übermütig auf und ab, kommentiert sie es vielleicht mit den Worten: hubbfde-wi-schbringdde! wenn es draußen kalt ist, sagt sie: huschi, wenn sie das Kind dann ganz dick anzieht, sagt man, es ist au-bemmad [ˈɑ̃bem:ɐd]. Beim Essen seines Breis bekommt das Kind ein drenzbaddal (Lätzchen) umgebunden. Meist geht es nicht ohne zu patzen, dann sagt die Mutter: du bozznlübbe! (oder auch: bozznjanka) und wenn das Kind schon selber ist und das Essen allzu hastig in sich hinein stopft, sagt sie: baumbf ned so!

Babys lachen gern und die Erwachsenen stehen drauf. Um das Lachen hervorzurufen gibt es unzählige Möglichkeiten, eine davon: rend a mausi üwas hausi, wo wiads rosdn? do im kosdn! dabei kitzelt man das Kind von den Fingern oder vom Bauch beginnend, bis man schließlich bei 'da im Kasten' unterm Kinn endet. Oder der Erwachsene versteckt sein Gesicht, um es gleich darauf wieder zu zeigen, er ruft dabei gugu! dscha! Oder man kitzelt das arme Kind einfach und sagt dabei gizi, gizi! Hat sich das Kind dann vor lauter Lachen verschluckt (fakuzzd) kann man sagen: kuzz, kuzz! oder es bekommt Schluckauf vom Lachen, den nennt man dann schnagal-schdessn ['ʃnagɐɫˌʃtəs:n] (Erwachsenen sagt man übrigens im Falle eines Schluckaufs, dass jetzt gerade jemand an sie denke...)

wuli-anddi, bibbi-hendi und muu-kuli - für Kinder erfand man immer schon neue Namen für die Tiere, die ihnen so begegnen, in dem Fall  Enten, Hühner und Kühe. daneben gibt es noch: miizi-kazzi, wauwau, i-aa und nudschi-fali (das Schweinchen). Ein weiterer Name für die Ente ist dugg-anddal ['dug:antɐɫ] - hier stand wohl Walt Disney's Duck-Familie Pate. 

bussi schiggn
Was vor allem größere Kleinkinder gar nicht so mögen, ist das zwiggabussi, beim Zwickerbussi packen die Erwachsenen beide Backen beim Schmatz auf den Mund. bussi gschdoin, also gestohlen sagen sie, wenn sie das Kind mit einem Schmatz überrascht haben. bussi schiggn (schicken) - oder neuerdings: lufdbussi ist die bekannte Kusshand: Ein Kuss auf die Finger und den dann "wegblasen". Handelt es sich um eine Verabschiedung, sagt oft jemand zum Kind: dua babaa-winggn! also in etwa: winke zum Abschied!

Wenn die Kleinen dann größer sind, sagt man zu ihnen: schnibbfa, düwe, rozbua, lausbua (zu de buam) oder a o-draade, frozz, rozmensch, lausmensch (zu de menscha) Schnipfer ist ein anderes Wort für Lausbub, Dübel nennt man unter anderem eine Beule am Kopf und Rotzbub ist eigentlich ein Schimpfwort, wenn der Junge rotzfrech war. o-draad heißt abgedreht, das soll heißen, das Mädchen hat den Dreh raus, wie man eine bestimmte Sache von den Erwachsenen bekommt. Man sagt oft: nau du bisd owa a gaunz a o-draade.

benzzn, biizln, diidschad sei - benzen ist eine wirklich nervtötende Art um etwas zu betteln, und wenn man es nicht bekommt, mündet es oft ins bitzeln. Das ist ein bestimmtes Kinderweinen: wenn das Kind nur mehr angestrengt zu weinen versucht, um seinem Anliegen Nachdruck zu verschaffen. hea auf zum bizln, du hosd heidd scho drei eis ghobd, du griagsd kans mea! wenn es aber trotzdem darauf beharrt, darf man mit recht behaupten, es sei trotzig: sei ned so diidschad!

Früher gab es viele Verbote für uns Kinder, aber auch viel mehr Freiheiten. Mit zehn, zwölf waren wir den ganzen Nachmittag mit anderen Kindern irgendwo, meist in der Au oder auf einem Spielplatz, ohne dass die Eltern wussten, was wir trieben. Andererseits gab es viele Regeln: Zuhause durften wir nie ohne Hausschuhe (schlabbfm) gehen, sonst kam der zechnwuam und biss uns in die Zehen; wenn ein Kind schlimm war, kam der wuliwuk, um es zu holen, ging es zu nahe ans Wasser, sprang das miazznkeuwe heraus. Am Mittagstisch musste immer alles aufgegessen werden (ois zaumessn, damids muang schee wiad) - auch wenn es uns nicht schmeckte. Zu trinken gab es erst danach. Außer wenn wir Äpfel gegessen hatten, dann durften wir nichts trinken, weil wir sonst Bauchweh bekommen hätten.

Gewaltfrei war die Erziehung früher nicht. Als in den 70ern langsam die Idee aufkam, Kinder ohne Schläge groß zu ziehen, wurde das zuerst kopfschüttelnd als diese antiautoritäre Erziehung dieser langhaarigen Kommunen-Typen abgelehnt. In vielen Familien hing ein Teppichklopfer im Abstellraum, obwohl überall nur Spannteppiche lagen.

waadschn, fozzn, dedschn, floschn sagt man zur Ohrfeige. in hinddan ausghaud (den Hintern versohlt) bekamen schon die kleinen Kinder. Bis in die Sechziger Jahre sagte man auch wixx griagn - wichsen bezeichnete nämlich das Putzen von Schuhen und Stiefeln, und die Handbewegung bei dieser körperliche Züchtigung erinnerte anscheinend daran (heute kommt dieses Wort in dieser Bedeutung nur mehr in der Wendung mia hods ane gwixxd - ich hab einen elektrischen Schlag bekommen - vor). du bedlsd heidd wida um a waadschn (du bettelst heute wieder um eine Ohrfeige) sagte die Mutter, oder du beidlsd aum waadschnbam (am Watschenbaum rüttelt man so lange, bis eine runter fällt). Oder: giwa rua sunsd schnoizzds! (...sonst schnalzt es) oder ...sunsd gleschds! oder ...sunsd schewads (...scheppert es). Manchmal wurde gleich a baggl hausdedschn angedroht - eine Packung Haus-Tetschen. Wollte die Mutter aber nicht selber zuschlagen, sagte sie: nau woadd nua bis da fodda hamkumd! (na warte nur bis Vater heim kommt!) Vom Familienoberhaupt hat das zu strafende Kind dann uandlich wosch griagd (Wasch kriegen kommt von waschen - eine Abreibung also)

Spiele

Bevor es Spielkonsolen gab, spielten Kinder mit ihresgleichen, meist draußen. Statt Scooter gab es Tretroller und statt Facebook gab es die Türklingel. 

bummawizzl
dradiwawal ist der immer noch beliebte Kinderkreisel. Das Wort bedeutet übrigens: dreh dich, Barbara!

bummawizzl - Stehaufkreisel  ist ein Kreisel, der sich auf den Stiel stellt, wenn er gedreht wird.  

hudschbfead  - man sagt heute noch: grinsn wiara frisch lakiads hudschbfead. Als man mich 1964 auf das Pferd - eigentlich ein Esel - setzte, war mir anscheinend nicht zum Grinsen zumute.

nochrena - Fangen durfte man jemanden nur, wenn er oder sie nicht im hugalili war.        

schneida, schneida leich ma d schea! Schneider, Schneider, leih mir die Scher' kann nur im Freien gespielt werden: alle Kinder suchen sich einen Baum, Ein Kind, das vorher bestimmt wurde, geht von einem zum anderen und sagt: schneida schneida leich ma d schea! Der/die Angesprochene sagt so was wie: do drübn liegds! Inzwischen müssen alle Kinder ihren Baum wechseln und das scherensuchende Kind versucht, einen unbesetzten Baum zu erhaschen.

ollas wos fliagln hod fliagd sagt ein bestimmtes Kind und hebt dazu beide Hände in die Höhe, dann sagt es verschiedene Begriffe wie z.B.: a aumschl fliagd, a flugzeig fliagd, a auddobus fliagd... und hebt dazu immer die Hände hoch. Alle anderen Kinder müssen ebenfalls die Hände heben - aber nur bei jenen Dingen, die wirklich fliegen, wer einen Fehler macht, ist draussen.

reiwa und schandaam - Räuber und Gendarm. Bis 2005 gab es in Österreich außerhalb der Städte die Bundesgendarmerie, die für Ruhe und Ordnung sorgte. (gens d'armes heißt wörtlich Leute der Waffen)

gummi-hubfm - Gummi-Hüpfen wurde praktisch ausschließlich von Mädchen gespielt: ein langes Gummiband wird von den Beinen zweier gegenüber stehenden Spielerinnen gespannt, ein drittes Mädchen hüpft einen vereinbarten Rhythmus zwischen oder auf den Gummibändern.

o-nemma
onemma - Abnehmen nannten wir das weltweit bekannte Faden-Spiel, bei dem es darum geht, durch besondere Griffe eine Schnur, die um die Finger des Gegenübers geschlungen ist, "abzunehmen", sodass sie wieder eine Figur um die eigenen Finger bildete. Stichworte: wiang, bedd, wossa, hosndraga.

dembbe-hubfm
dembbe-hubfm - Tempelhüpfen ebenfalls seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden wird dieses Spiel auf der ganzen Welt gespielt.

gliggas
gliggas - Klickers (eigentlich: Klick-Klack) hieß eine kurze aber lautstarke Modeerscheinung in den Siebziger-Jahren, die eigenartigerweise nie ein Revival erlebt hat, was den Handgelenken der Kinder sehr zugute kommt: Ziel des Spieles war, die beiden Kugeln abwechselnd unter- und oberhalb der Hand zusammenschlagen zu lassen. Verfehlte man den genauen Anschlagpunkt auch nur um Millimeter, knallte man sich die Dinger schmerzhaft gegen die Handgelenke, die bald dick geschwollen waren. Bei den älteren St.Pöltnern hat sich das Wort noch in einem anderen Zusammenhang erhalten: Die Form erinnert an einen anderen Körperteil und ebenfalls schmerzhafte Erlebnisse (ea hod eam ane auf de gliggas ghaud...)

zenaln ['tsenɐɫn] - Zehnerln hieß das Spiel, bei dem ein Ball gegen eine Wand geworfen und wieder aufgefangen wurde, wobei sich der Schwierigkeitsgrad von Durchgang zu Durchgang steigerte, indem z.B. dazwischen in die Hände geklatscht oder eine Drehung vollführt werden musste

bfidschibfeu - die Pfidschi-Pfeile haben wir uns zum Indianer-Spielen immer selbst mit dem doschnfeidl (Taschenmesser) geschnitzt, den Bogen aus einem frischen Ast und einer Schnur gebastelt (weil: an feidl und a schnua hod jeda richdige bua)

fidschigogaln oder bfidschigogaln war der beliebteste Pausen-Sport in der Schule: Spielfeld eine Schulbank, der Ball war ein 10-Groschen-Stück, die Spieler waren zwei Geodreiecke. Na die hatten bald Ecken, dass keine gerade Linie mehr damit zu ziehen war!





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