Montag, 2. April 2012

Aufdraan, meuddan, namen

 

Schimpfen in St.Pölten


schimbfm - schimpfen ist eine notwendige und meist harmlose Möglichkeit, anderen Menschen ihre Grenzen aufzuzeigen. Wie in Österreich allgemein üblich, wird die Schimpfe nicht immer an den Adressaten gerichtet, sehr häufig wird "einfach geschimpft" - über die Regierung, über die anderen Autofahrer und natürlich über die Jugend von heute. Vielleicht weiß der Österreicher instinktiv, dass Schimpfen auch eine biologische Funktion haben kann, wie man bei manchen Tieren sieht:
Amseln machen sich zum Beispiel lautstark bemerkbar, wenn eine Katze durchs abendliche Gebüsch streift - man sagt dann: de aumschln schimbfm

schimbfads  ist das zugehörige Substantiv. Es ist ein Pluralwort und kommt in solchen Sätzen vor: nau, hosd schimbfads griagt? wörtl.: Na, hast du Schimpfe bekommen?


Der St.Pöltner und die St.Pöltnerin schimpfen und fluchen nicht viel anders als der Rest Ostösterreichs; zusätzlich können aber doch ein paar Wörter festgestellt werden, die andernorts nicht so häufig oder bekannt sind.

modschgan - matschgern ist in ganz Ostösterreich bekannt und bezeichnet ebenfalls diese liebgewonnene Angewohnheit der Österreicher, seinen Unmut als akustische Duftwolke vor sich herzutragen, in der Hoffnung, ein Beschuldigter würde es hören und sogleich beschämt Asche auf sein Haupt streuen.
meuddan sagten wir in St.Pölten zum Matschkern.

köwen - keppeln und keiffn - keifen nennt man das bei einer Frau

aufdraan - aufdrehen. Im Gegensatz zum schimbfm ud meuddan kann man aufdraan nur mit einem Gegenüber. Dieser Begriff bezeichnet jenen, von erhöhtem Adrenalinspiegel begleiteten Gemütszustand in dem man mit seinem Gesprächspartner wirklich laut wird. denan dazöl i wos! kündigt man diese Aktion manchmal an, um dann hineinzukrachen und ihnen die Meinung zu sagen; draa ned oiweu so auf mid mia!, sagt der Ehemann, nachdem ihn seine Angetraute wieder einmal lautstark zurecht gewiesen hat. Lässt er sich allerdings auf den Ehestreit ein, sagen die Nachbarn: de hachln scho wida die streiten sich schon wieder.

zaumscheissn - während aufgedreht nur mit gleichgestellten oder sogar vorgesetzten Personen wird, kann man Untergebene nur zurechtweisen, indem man sie zaumscheissd; denan weri de wadl no fire richdn kündigt man diese Unternehmung an (denen werde ich noch die Waden nach vorne richten)

namen


namen - nameln, also jemanden mit (nicht sehr schmeichelhaften) Namen bedenken nennt man das zentrale Element eines Streites.

Beginnen wir bei den liebevollen, oder zumindest nicht allzu groben Schimpfnamen, wie sie Kinder oft zu hören bekommen (oder bekamen - leider sterben auch diese Wörter langsam aus)

bodschochda - einer der eine simple Sache nicht hinkriegt; das ist ein mitleidiger Ausruf einer Mutter, wenn das Kind z.B. nicht in den Ärmel der Jacke findet: nau du bodschochda, woadd i hüf da!

bodschada glachl! - patscherter Klachel also Tolpatsch! ruft man, wenn jemandem ein dummes Missgeschick passiert, wenn er also ein Glas fallen lässt oder eine Vase umstößt. In diesem Ausruf schwingt schon ein gerüttelt Maß an Ärger mit, oft folgt ein böses kaunsd ned aufbassn?

didschad - starrköpfig, stur, und zwar auf eine gewisse egoistische Art, wie es Kinder manchmal sind: jezd sei ned so didschad und gib den aundan kinda a wos! sei nicht so stur und gib den anderen Kindern auch was ab! Aber auch Erwachsene können so sein, vor allem, wenn sie darauf beharren, dass etwas so und genau so gemacht werden muss.

bowal nennt man jemanden, der durch und durch verweichlicht ist; sei nicht so mädchenhaft würde man in rauen Männerrunden zu so einem sagen. Muttersöhnchen ist auch ein passender Begriff, denn eine Mutter kann ihren Sohn schon fabowaln also viel zu fürsorglich erziehen.

feedseulig  (nasal gesprochenes ee) ist boshaft. Man sagt das über Kinder, die andere absichtlich ärgern oder ihnen schaden (wos zfleis mochn): sei ned so feedseulig zu dein bruada! Sei nicht so boshaft zu deinem Bruder!

grawuddisch werden Eltern wegen ihrer schlimmen Kinder: moch mi ned grawuddisch! schimpft die Mutter, du bedlsd heidd wida um a wadschn! Mach mich nicht zornig! du bettelst heute wieder um eine Ohrfeige! Aber auch bei der Arbeit kann man grawuddisch werden, wenn man, weil irgendetwas nicht gelingt, ganz zornig wird. Man kann dann auch sagen: i griag an gizi!

wuzal oder breggal - Wuzerl oder Bröckerl sagt man zu einem dicken Kind,
gribbegschbüü oder zniachdl zu einem allzu dürren,
gschraazn ganz allgemein zum jungen Nachwuchs (gschraa ist das Geschrei)

gaachzuanig - wer jähzornig ist, kann dann schon folgende, weniger nette Wörter verwenden:

hianedal - wörtlich: Hirn-Ederl: Dummkopf

gscheada  bezeichnete ursprünglich eine Person aus der Landbevölkerung („Gescherter“=Geschorener, weil die Bauern, im Gegensatz zur Mode in der Stadt, kurzes Haar trugen) in St.Pölten allerdings, wurde diese Beschimpfung – weil man sie selbst öfters zu hören bekam – umgekehrt und gegen die Wiener verwendet. „a gscheada Weana“ ist die vollständige Bezeichnung. heasd! dea foad gegn d einbaun! asso, des is a gscheada Weana, des is e gloa. He, der fährt gegen die Einbahn! Achso, das ist ein gscherter Wiener, das war ja klar!

baazi oder boidi (Leopold) sind weitere nette Bezeichnungen für den Einwohner der Bundeshauptstadt. Auch: weana baazi!

 
grezzn Kretze heißt eigentlich Wundschorf oder Ekzem, jedenfalls eine unangenehme Hautveränderung. Genauso unangenehm für die Mitmenschen ist eine grezzn, weil eine solch Person es mit Ehrlichkeit und Moral nicht so genau nimmt.

dodl - Dodel sagte man früher tatsächlich zu Menschen, die eine geistige Behinderung zeigten. Heute meint man damit Menschen, die zwar aller ihrer Sinne mächtig sind, aber dies sehr gut verbergen.

doim - Dolm weist darauf hin, dass dem Adressaten eine gewisse rurale Einfachheit nachgesagt wird.

dewanigl ist die Koseform von Depp

fuchdl - Fuchtel:  eine oide fuchdl ist eine alte herrische Frau (die mit den Händen ständig Anweisungen gibt, also herum fuchdeld)

musch heißt Frau auf Jenisch (das ist eine Sprache, die ein paar Kilometer westlich von St.Pölten gesprochen wird) und wird meist abwertend verwendet: di blede musch

bradlbabbad - breitmäulig. Dieses adjektiv kann getrost vor jedes Schimpfwort gesetzt werden

mamlas - so nennt man einen Menschen, der es verabsäumt hat, im richtigen Moment die Initiative oder das Wort zu ergreifen und stattdessen stumm und betreten da sitzt: siizd do wiar a mamlas und bringd s meu ned auf!

ramal  -  der hod jo a ramal!  der tickt ja nicht ganz richtig!

der hod an driisch in da kaunl!  (wörtlich: eine Delle in der Kanne) der hat nicht alle Tassen im Schrank.

bisd augrend? bist du wo gegengerannt?

haums di griassn lossn?haben sie dich grüßen lassen? (hat dir jemand Grüße ausrichten lassen?)  heißt soviel wie: bist du jetzt komplett wahnsinnig geworden?








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